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  • Iva Nesheva

Vorfälligkeitsentschädigung zurückholen bei Fehlern im Darlehensvertrag

Aktualisiert: 17. Juli 2021


Sie haben ab dem 21.03.2016 einen Verbraucherdarlehensvertrag bei einem Kreditinstitut (Bank oder Sparkasse) abgeschlossen? Wegen vorzeitiger Ablösung des Darlehens verlangt die Bank die sog. Vorfälligkeitsentschädigung oder Sie haben diese bereits bezahlt? Ihr Vertrag könnte Angaben enthalten, die aus Verbrauchersicht nicht klar und verständlich sind. Dies gilt insbesondere für die Darstellung der Berechnungsmethode für den zu zahlenden Betrag. Bei derartigen Fehlern im Darlehensvertrag können Sie nach der aktuellen Rechtsprechung die Vorfälligkeitsentschädigung von der Bank zurückholen bzw. vermeiden.



Inhaltsübersicht:





Als wichtig für Verbraucher erweist sich die Regelung des § 502 Abs. 2 Nr. 2 BGB, wonach die Bank keine Vorfälligkeitsentschädigung verlangen kann, wenn sie ihre diesbezüglichen gesetzlichen Informationspflichten nicht erfüllt hat. Die Vorschrift gilt z. B. für Immobiliendarlehensverträge und Kfz-Darlehensverträge. Die Bank ist verpflichtet, im Vertrag "zureichende" Angaben über die Laufzeit des Vertrags, das Kündigungsrecht des Darlehensnehmers und die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung zu machen.


Große praktische Bedeutung hat die vertragliche Darstellung der Berechnungsmethode. Ist diese aus Sicht des Verbrauchers nicht klar und verständlich, kann er Erstattung der bereits bezahlten Vorfälligkeitsentschädigung verlangen. Dies veranschaulicht eine aktuelle BGH-Entscheidung aus Juni 2021.


1. Beschluss des BGH vom 29.06.2021, Az. XI ZR 320/20


Mit Beschluss vom 29.06.2021, Az. XI ZR 320/20 hat der BGH entschieden, dass eine Bank die Vorfälligkeitsentschädigung zurückzahlen muss, da im streitgegenständlichen Immobiliar-Verbraucherdarlehensvertrag die Berechnungsmethode nicht entsprechend den gesetzlichen Anforderungen angegeben worden war. Hiermit hat der BGH die Auffassung der Vorinstanz - OLG Frankfurt a. M., Urteil vom 1.7.2020 – 17 U 810/19 - bestätigt.


Das Oberlandesgericht führte aus, die Bank habe die vorzunehmenden Rechenschritte zwar im Einzelnen dargestellt, die Darstellung sei aber in Bezug auf den zweiten Rechenschritt unverständlich gewesen:


"Wenn es dort heißt, dass die Bank ermittelt, welchen Betrag sie zum vorgesehenen Zeitpunkt der vorzeitigen Rückzahlung anlegen muss, damit der Bank der vereinbarte Betrag zum vorgesehenen vertraglichen Fälligkeitstermin der jeweiligen ausstehenden Rate zur Verfügung stehen würde, und erläutert, dass „[die Bank] dabei differenziert [...] wie folgt“, erwartet der Verbraucher eine Beschreibung dieser differenzierten Vorgehensweise. Eine solche Beschreibung enthält die Klausel jedoch nicht. Es folgt lediglich die Erklärung, dass die Bank für die Verzinsung des vorzeitig zurückgezahlten Darlehenskapitals die Zinssätze der entsprechenden am Kapitalmarkt verfügbaren Hypothekenpfandbriefe zugrunde legt, „soweit Pfandbriefe mit entsprechenden fristenkongruenten Laufzeiten vorhanden sind“. Was geschieht, soweit solche Hypothekenpfandbriefe nicht vorhanden sind, etwa bei unterjährigen Laufzeiten, bleibt offen. Dazu verhalten sich die Darlehensverträge weder an dieser noch an einer anderen Stelle."


Ob diese Entscheidung auch für Ihre Angelegenheit relevant ist und Sie die Vorfälligkeitsentschädigung zurückholen bzw. vermeiden können, kann nur mithilfe einzelfallbezogener Prüfung festgestellt werden. Die nachfolgenden Beispiele aus der Rechtsprechung sollen als erste Orientierung dienen.


2. In diesen Fällen ist der Anspruch auf Vorfälligkeitsentschädigung ausgeschlossen:


a) Berechnungsmethode nicht zumindest in groben Zügen benannt


Zu welchen Mindestangaben die Bank verpflichtet ist, hängt u. a. von der gewählten Berechnungsmethode ab. Mithilfe der gemachten Angaben muss der Verbraucher einschätzen können, welche finanzielle Belastung im Fall der vorzeitigen Rückzahlung auf ihn zukommt.


Beispiel:


Als - ausreichende - "maßgebliche Parameter" wurden im Einzelfall die folgenden Informationen angesehen:


"[...] das zwischenzeitlich veränderte Zinsniveau (als Ausgangspunkt für die Berechnung des Zinsverschlechterungsschadens), die für das Darlehen ursprünglich vereinbarten Zahlungsströme (als Grundlage der sog. Cash-Flow-Methode), den der Bank entgangenen Gewinn (als Ausgangspunkt für die Berechnung des Zinsmargenschadens), die infolge der vorzeitigen Rückzahlung ersparten Risiko- und Verwaltungskosten (als Abzugsposten) und den mit der vorzeitigen Rückzahlung verbundenen Verwaltungsaufwand (vgl. BGH, Ur­teil vom 05.11.2019 – XI ZR 650/18)."


b) Unklare/ unverständliche weiterführende Informationen


Der Darlehensgeber ist nicht verpflichtet, Informationen, die über die Mindestangaben hinausgehen, in den Vertrag aufzunehmen. Entscheidet er sich freiwillig dafür, müssen auch diese Informationen klar und verständlich sein.


c) Angaben über die Berechnungsmethode außerhalb der Vertragsurkunde/ erst nach Vertragsschluss


Die Nachholung fehlender Angaben ist ausgeschlossen (vgl. BGH, Urteil vom 28.7.2020 – XI ZR 288/19). Insbesondere ist es nicht ausreichend, wenn die Bank erst nach mehreren Jahren ein Merkblatt mit den erforderlichen Informationen vorlegt.


3. In diesen Fällen besteht der Anspruch auf Vorfälligkeitsentschädigung:


a) Offensichtliches Schreibversehen


Ein offensichtliches Schreibversehen, "das der normal informierte, angemessen aufmerksame und verständige Verbraucher als solches erkennen und ohne Weiteres korrigieren kann", schließt den Anspruch auf Vorfälligkeitsentschädigung nicht aus.


Beispiele:


Verwendung des Begriffs „Widerspruchsrecht“ statt des Begriffs „Widerrufsrecht“ in der Widerrufsbelehrung;


„Pflicht zum Wertersatzpflicht“ statt „Pflicht zum Wertersatz“;


„Widerrufserklärung“ statt „Widerrufsbelehrung“.


Weist die vertragliche Regelung eine Lücke auf, muss der Verbraucher in der Lage sein, diese selbständig zu füllen. Ist dies nicht der Fall, weil es an der notwendigen Informationsvermittlung durch die Bank fehlt, liegt kein offensichtliches Schreibversehen vor.


b) (Bloßes) Fehlen der Bezeichnung der Berechnungsmethode


Kreditinstitute sind nicht verpflichtet, die Berechnungsmethode ausdrücklich etwa als Aktiv-Passiv- oder Aktiv-Aktiv-Methode zu benennen. Diese Bezeichnung hat keinen Informationswert für den Verbraucher. Die Darstellung einer finanzmathematischen Berechnungsformel ist ebenfalls nicht erforderlich.


c) Vorzeitige Kündigung des Darlehensnehmers gemäß § 490 II 1 BGB


Hat der Verbraucher den Vertrag vorzeitig i. S. d. § 490 Abs. 2 S. 1 BGB gekündigt, hat er gemäß § 490 Abs. 3 S. 2 dem Darlehensgeber denjenigen Schaden zu ersetzen, der diesem aus der vorzeitigen Kündigung entsteht. Diese Vorfälligkeitsentschädigung unterliegt nicht den Einschränkungen des § 502 Abs. 2 Nr. 2 BGB, da § 490 Abs. 3 S. 2 BGB vorrangig ist.



4. Andere Konstellationen


Die obige Darstellung bezieht sich lediglich auf den Ausschluss der Vorfälligkeitsentschädigung gemäß § 502 Abs. 2 Nr. 2 BGB.


Nicht erfasst sind z. B. die folgenden Fälle:

  • Sie haben den Darlehensvertrag als Unternehmer abgeschlossen;

  • Die Bank hat den Darlehensvertrag gekündigt;

  • Das Datum des Vertragsschlusses liegt vor dem 21.03.2016;

  • Es liegt ein anderer Ausschlussgrund gemäß § 502 BGB vor.


Auch wenn die Bank ihre gesetzlichen Informationspflichten erfüllt hat, können andere Möglichkeiten bestehen, die Vorfälligkeitsentschädigung zu umgehen.



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